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Kaffee Panel Series - Teil 1: Philip Weller

Anfang des Jahres haben wir vier erfahrene Röster zu einem Webinar eingeladen, damit sie uns erzählen, wie sie es nach ganz oben beim Kaffee Panel geschafft haben. Dafür haben wir ihre Röstprofile analysiert und ihre Herangehensweise diskutiert.

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Welchen Rohkaffee wählen sie aus? Wie entwickeln sie das Röstprofil? Welchen Ansatz verfolgen sie, um ein von Q-Gradern prämiertes Geschmacksprofil zu erzielen? Diese und viele weitere Fragen stellten wir Röstern und Teilnehmern der Lateinamerika- und Afrika-Edition. Wir erhielten spannende Einblicke und teils sehr unterschiedliche Antworten.

Wir wissen, dass es auf die Frage nach dem besten Röstverfahren nicht die eine allgemeingültige Antwort gibt. Daher nehmen wir in dieser Blogserie Röstexperten und ihre Röstkurven unter die Lupe, um mehr über ihren jeweiligen Ansatz und ihre Strategie zu erfahren. 

So unterschiedlich wie die gerösteten Rohkaffees und die verwendeten Röstmaschinen sind auch die Arbeitsweisen und Röstprozesse der einzelnen Röster. Trotzdem, oder gerade deswegen, glauben wir, dass viele Röster von der Erfahrung dieser Röster profitieren und lernen können, um beim nächsten Kaffee Panel vielleicht selbst eine Spitzenplatzierung zu erreichen!

Das komplette Webinar können Sie hier aufrufen: „Cropster & Kaffee Panel 1: Die Top Röster Live im Interview (Afrika & Lateinamerika)". Oder lesen Sie jetzt weiter, um mehr über die Ergebnisse der einzelnen Röster zu erfahren. 

Die Röstexperten, die wir in dieser Blogserie vorstellen:

  • Sebastian Kohrs, elbgold, Hamburg (DE)
  • Philip Weller, Günter Coffee Roasters, Freiburg (DE)
  • Dario Stoop, Henauer Kaffee, Höri (CH)
  • Carsten Wolters, roestbar, Münster (DE)

Kommentiert wurden die Röstkurven und Geschmacksprofile von Philipp Schallberger, Kaffeemacher, Basel (CH). Er hat als Q-Grader und Kaffee-Panel-Juror jeden Kaffee selbst verkostet und mitbewertet.


TEIL 1: Philip Weller von den Günter Coffee Roasters röstet einen fermentierten Kaffee der Finca El Paraíso aus Kolumbien

In diesem Artikel der Kaffee Panel-Serie stellen wir Philip Weller von Günter Coffee Roasters aus Freiburg vor.

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Röstexperte: Philip Weller
Rösterei: Günter Coffee Roasters
Stadt/Land: Freiburg/DE
Röstmaschine: Giesen W15A
Rohkaffee: Castillo, Finca El Paraíso, Kolumbien, Natural
Kaffee Panel-Bewertung: 87,53 Punkte

Philip Weller ist Gründer und hauptverantwortlicher Röster bei Günter Coffee Roasters in Freiburg. Seit mehreren Jahren röstet er als „Röstpunk“ und Autodidakt auf seiner Giesen W15A. Bei Kaffee Panel Lateinamerika erreichte er den zweiten Platz in der Kategorie „Various Preparation“ mit einem Kaffee von Finca El Paraíso in Kolumbien.

Vorbereitung und Auswahl des Grünkaffees

Bei der Ernte wurden 88 % der Kirschen vollreif und 12 % mittelreif gepflückt. Dann wurde der Kaffee einer anaeroben Fermentierung unterzogen. Die erste Phase dieser anaeroben Fermentierung dauerte 168 Stunden. Die Kirschen wurden dann gewaschen und entpulpt. Die zweite aerobe Fermentierungsphase dauerte noch einmal 48 Stunden. Dann wurden die Bohnen kontrolliert mit zirkulierender Luft bei einer Temperatur von 35 °C und einer Feuchtigkeit von 30 % getrocknet, bis der Restfeuchtigkeitsgehalt 10 bis 11 % betrug.

Dieser Kaffee ist in Europa nicht sonderlich populär aufgrund der schwierigen Fermentierung und einiger sehr weißer, verfärbter Bohnen. Philip Weller bewies Mut, als er einen kleinen Teil der Charge blind und ohne zu kosten verwendete. 

„Unser (Feuchtigkeits-)Messgerät hat am Anfang ein paar komische Dinge angezeigt (...) und das Bild der Bohnen war mit den weißen ziemlich ‚wild‘. Es war nicht einfach zu sehen, ob es Defekte gab." 
Philip Weller – Günter Coffee Roasters

Nach dem Grading, ersten Musterröstungen und Verkostungen entstand ein Aroma ohne Defekte. Die Regeln des Wettbewerbs besagen, dass der Kaffee nachher auch im Sortiment verkauft werden muss. Die Wahl für Lateinamerika fiel schließlich auf diesen Kaffee – rückblickend ein echter Glücksgriff!

Ansatz, Zielsetzung und Profil 

Die Bohnengröße und -dichte sowie die Feuchtigkeit sind wichtige Parameter für Philip, die er dann mit früheren Röstungen seines Repertoires vergleicht. So findet er dann ein passendes Startprofil. 

„Cropster hilft hier sehr, weil man ein Profil basierend auf den aufgezeichneten Daten auswählen kann, das ungefähr diesem neuen Kaffee entspricht.“

Philip findet seine erste Röstkurve für die Giesen W15A aus einer Kombi aus Musterröstungen auf einer Ikawa und dem Vergleich mit früheren Röstungen. Die Röstkurve, die er dann auswählt, hängt vom Geschmack der Muster ab.

Sein Ziel bei diesem Kaffee war es, nach den ersten Musterröstungen und Verkostungen das spezielle Fermentierungsaroma ins Geschmacksprofil zu integrieren. Die Fermentierung hatte vor allem den Körper des Kaffees beeinflusst, sodass er als Espresso sehr angenehm war. Darauf aufbauend entwickelte Philip eine Omni-Röstung aus dem Espresso mit einer recht leichten Röstung, in der er Säure, Fruchtigkeit und Komplexität hervorhob. Der Kaffee kann auch als Filterkaffee genossen werden. 

Der Röstvorgang

Der preisgekrönte Kaffee wurde mit einer Chargengröße von 5 kg auf einer Giesen W15A geröstet. Üblicherweise röstet Philip normale Chargen mit maximal 12 kg und kleinere oder Sonderchargen mit 5 kg. 

„Mit 5 kg haben wir genug Spielraum und Energiereserven, um die richten Profile zu finden. Wenn wir mit 12 kg rösten, sehen die Energiereserven schon etwas anders aus. Deshalb rösten wir lieber kleinere Chargen von kleinem Single-Origin-Kaffee.“ 

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Die Röstkurve von Philip Weller, Günter Coffee Roasters, beim Kaffee Panel Lateinamerika

Nach dem Aufheizen der Röstmaschine begann das Rösten bei 188 °C. Gleich anschließend reduzierte Philip das Gas auf 10 %. Sobald der Kaffee die Energie des Rösters absorbiert hatte (nach ca. 1:35 Minuten), steigerte er das Gas wieder auf 35 %. Basierend auf seiner Erfahrung hat Philip Weller einen selbst definierten, temperaturabhängigen Standard für das Erfassen wichtiger Ereignisse wie Farbänderungen oder First Crack

„Für mich war das subjektive Timing der Farbänderung und des First Crack immer ein wenig ungenau für den Vergleich verschiedener Profile. Deshalb haben wir für alle Kaffees die Aufzeichnung der Farbänderung bei 140 °C und des First Crack bei 200 °C festgelegt.“

Deshalb zeigt das Modulationsdiagramm mit einer Entwicklungszeit von 8 % für diese Röstung nicht die tatsächliche Entwicklungszeit ab dem First Crack. Doch durch die Standardisierung dieser zwei Referenzpunkte und daher der Trockenphase bei bis zu 140 °C, der Maillard-Phase bis zu 200 °C und der folgenden Entwicklungsphase gibt das einen zuverlässigen Vergleich von Röstungen.

„Das ermöglicht mir einen Vergleich zwischen verschiedenen Kaffees und Röstungen. Es hilft mir, Kaffees mit verschiedener Dichte und Größe mit verschiedenen Zeiten bis hin zu den Ereignissen besser zu vergleichen, was mir sehr viel gebracht hat.“ 

Die Gasaufzeichnungen zeigen, dass Philip das Gas beginnend bei ca. 130 °C während des Röstvorgangs nach und nach reduziert hat. Nach 10 Minuten beendete er die Röstung mit einer Endtemperatur von 205,7 °C.

Philip versucht immer, die entwickelte Referenzkurve gleich von Anfang an so genau wie möglich zu reproduzieren. Anpassungen werden dann nur während des Jahres aufgrund von Wetterveränderungen vorgenommen. 

„Wir haben keine Klimaanlage und hängen daher sehr stark von der Außentemperatur ab. Daher müssen wir zum Beispiel für einen Kaffee, den wir ein halbes Jahr lang rösten, die Referenz vier oder fünf Mal an die veränderten Bedingungen anpassen.“

Ein wichtiger Wert für die Qualitätskontrolle ist ein definiertes Farbspektrum für Filter- und Espressoröstungen. 

„Bei uns gewinnt aber am Ende immer der Geschmack. Wir verkosten jede Charge und arbeiten das dann in die Weiterentwicklung unserer Röstprofile ein.“

Analyse und Ergebnisse der Röstung

Philipp Schallberger blieb dieser Kaffee ganz besonders in Erinnerung, da er sehr aromatisch war und viele subtile Charakteristika sowie eine reiche fruchtige und schwere florale Note aufwies. 

„Der Kaffee war unglaublich komplex und irgendwann hat der ganze Raum danach geduftet.“
Philipp Schallberger – Die Kaffeemacher

Die Judges waren sich einig, dass eben diese schwere, sanfte Textur diesen Kaffee so besonders macht. 

„Einerseits gelingt das, indem man den mittleren Teil der Röstung etwas streckt, oder der Kaffee war sehr gut sortiert und sehr reife Kirschen wurden verwendet. Die Süße der Kirschen verwandelt sich dann in diese sanfte Textur. Das war mit dieser leichten Röstung sicherlich der Fall."

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Das Ergebnis der Verkostung der Jury bei Kaffee Panel Lateinamerika für Günter Coffee Roasters

„Beim Cupping waren die Attribute und Intensität der Aromen etwas leichter, als wenn dieser Kaffee als Filterkaffee gebrüht worden wäre. Doch das Ergebnis war sehr transparent und komplex." 

Mit Blick auf die Vorbereitung dieses Kaffees mit 88 % reifen und 12 % mittelreifen Kirschen meint Philipp Schallberger, dass der Anteil an mittelreifen Kirschen die nötige Säure gibt und so die reiche Süße der vollreifen Kirschen ergänzt. 

„Man konnte die sehr reichen Aromen mit einer weniger komplexen, jedoch sehr klaren Säure erkennen."

Vielen Dank an Philip Weller und Philipp Schallberger für den spannenden Einblick in die Auswahl des Grünkaffees und den Röstvorgang sowie die Bereitschaft, die Analyse und Bewertung mit uns zu teilen.

Im nächsten Artikel dieser Serie stellen wir einen weiteren Röster und dessen Röstung beim Kaffee Panel vor.

Das gesamte Webinar gibt es auf der Cropster-Website:„Cropster & Kaffee-Panel 1: Live Interview mit den Top-Röstern (Afrika & Lateinamerika)".

Mehr Informationen zum Kaffee Panel sowie den einzelnen Wettbewerben und Platzierungen gibt es auf https://kaffee-panel.org/ oder dem YouTube-Kanal der Kaffeemacher. 

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